Flamencomusik - die Geschichte des Flamenco


Der Flamenco ist eine Volkskunst, die einerseits von den Gitanos, andererseits durch die andalusische Beeinflussung stark entwickelt worden ist. Kurz gesagt, repräsentiert er eine Mischung aus andalusischer Folklore und dem Flamenco der Zigeuner. Obwohl in ganz Europa Zigeuner verschiedener Clans leben, wurde der Flamenco nur von den andalusischen Zigeunern entwickelt, die im ca. 13. Jahrhundert von Indien her kamen.

So wie das Leben vieler Einheimischer sehr traurig ist, wiederspiegelt sich auch in diesem Tanz etwas Wahrheit. Im Mittelpunkt des Tanzes bzw. Gesanges stehen: "Trauer, Leid, Verlorene Liebe, Tod...". 

Der Tanz drückt die Auseinandersetzung des Menschen mit der Macht aus, die ihn bedroht. Emotionen werden unmittelbar in den Tanz umgesetzt, wobei der erdig/sinnliche Fusstanz, sowie die Bewegungen der Arme und Hände stark ins Spiel kommen.

Beteiligte

An der klassischen Flamencoaufführung sind mindestens vier Personen beteiligt:

Beim reinen Flamenco-Gesang wird oft geschrien und die Texte werden unverständlich.
Der Flamenco-Gesang ist entstanden aus einem Klagegesang, wobei es nicht auf die Schönheit der Melodieführung ankommt, sondern auf den Ausdruck, die Expression.
Der Gesang drückt tiefen Schmerz aus und der Sänger selber ist während der Aufführung sehr konzentriert.
Sein Gesicht ist schmerzverzerrt und gibt dem Gesang einen Ausdruck, der im Umfeld äusserster Armut entstanden ist.

Die verschiedenen Cantes bestehen aus Versen, die wiederum aus drei oder mehreren Zeilen bestehen. Der Cante Flamenco entstand vor dem Tanz und vor der Gitarre und gilt als das älteste Element in dieser Kunst. 

Ihm merkt man an, dass er eine lange Geschichte hat und Jahrhunderte alt ist. 

Beim Flamenco dominiert der Soloauftritt, oft inmitten einer Gruppe, die mit Händeklatschen und Zurufen daran teilnimmt. Gruppentänze hingegen gibt es im reinen Flamenco selten.

Kleidung  

Die Kleidung ist traditionsgemäß bis auf geringe Variationen ziemlich stark festgelegt:  

Das Flamencokleid, meist aus gepunktetem Stoff, reich mit Volants und Rüschen besetzt.  

Die Männer tragen enge dunkle Hosen zusammen mit einem hellen Hemd, eine breite Bauchbinde und evtl. eine Bolero-Weste. 

Inzwischen gibt es auch Tänze, die von Frauen in Hosen getanzt werden. 

Gattungen

Der Flamenco wird unterteilt in 38 verschiedene Gattungen. Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht auf sämtliche Gattungen eingegangen werden, immerhin seien die wichtigsten benannt:

Toná:
Wird als älteste Form des schon als Flamenco bekannten Cante angesehen;
Siguiriya:
Cante voller explosiver Kraft, Wut und Trauer;
Soleá:
Königin des Flamenco, majestätisch und von verhaltener Kraft;
Alegrías:
Heiterer Cante und Baile;
Bulerías:
Witziger und komischer Ausdruckstanz;
Tangos:
Bildet zusammen mit der Siguiriya, Soleá und der Toná einen der vier Eckpfeiler des Flamenco; 
Tientos:
Entwickelten sich aus den Tangos, sind im Gegensatz zu diesen aber langsam und getragen. Gehört zum Cante grande (oder intermedio).

Andalusien

In Europa gibt es kaum eine Gegend, die von so vielen verschiedenen Völkern durchzogen und erobert worden ist, wie Andalusien. Diese Region liegt in Spanien und umfasst dessen acht südliche Provinzen. Andalusien wurde durch die verschiedenen Einflüsse der Mauren, Phönizier, Griechen und Westgoten sehr reich an kulturellen Impulsen. Andalusien ist von der Zeit der Reconquista stark geprägt. Damals und heute noch herrscht in Andalusien eine hohe Arbeitslosenrate. Nicht nur Einheimische, sondern auch eine grosse Prozentzahl Zigeuner leben hier in Armut. Durch die Einflüsse verschiedener Kulturen, befindet sich Andalusien, poetisch und musikalisch auf einem hohen Niveau. Dieser Umstand war für den Flamenco sehr entscheidend.

Die Zigeuner

Vom Flamenco kann man nicht sprechen, ohne an die Zigeuner zu denken. In Spanien leben heute zwischen 250.000 und 700.000 Zigeuner. Entweder reinrassig oder als Mischlinge den verschiedenen Clans zugehörig. In Andalusien nennt man sie Gitanos. Sie kommen ursprünglich aus Indien, wobei umstritten ist, welcher Kaste sie dort angehörten. Sie verließen ca. im 13. Jahrhundert Indien und zogen immer weiter nach Westen. Die Forscher sind der Meinung, dass die Zigeuner den Flamenco geschaffen haben, indem sie bestehende Einflüsse in Andalusien vorgefunden mit den eigenen vermischt haben. In der Geschichte Spaniens ist das Auftreten der Zigeuner erstmals 1447 in Barcelona verzeichnet worden.

Die spanischen Gitanos leben auch heute noch in Papp- und Wellblechbehausungen notdürftigster Art. Es sind Grossstadtslums ohne Wasser und Elektrizität, in denen Ratten hausen und Infektionsgefahr erhöhten Grades besteht. Im Winter sind fast alle Kinder an Lungen und Bronchen erkrankt. Die Gitanos grenzen sich von den Andalusiern ab und fühlen sich als die letzten Söhne Gottes, die alles haben, was den Payos (Andalusier) fehlt: Integrität, Individualismus, Freiheit. 

Die Gitanos werden umgekehrt von den Payos verachtet, dennoch empfinden diese keinen Hass für sie auch nicht deswegen, weil es so gut wie keine Schulbildung für diese Menschen gibt. Früher waren einige Gitanos Handlanger bei Stierkämpfen oder Schmieden. Weitere Berufe sind heute Pferdehändler, Stierkämpfer, Musiker oder Tänzer. Handwerklich und künstlerische Tätigkeiten werden bei den Kindern der Gitanos sehr gefördert. Es gibt fast keine Clans in deren Stammbäumen, in denen nicht alle Berufe, vor allem Flamencokünstler und Stierkämpfer vertreten sind. Unter ihnen sind die sog. Flamenco-Dynastien berühmt geworden, wie die Cortes und Amayas aus Cordoba oder die Ortegas aus Cádiz. 

Mandito el de Maria, ein Cantaor, wurde einmal von einem Forscher gefragt, warum er singe, worauf er antwortete: "weil er sich an seine Geschichte zurückerinnert." 

Diese kollektive Erinnerung wird über Jahrhunderte weitergegeben von Eltern zu Kindern, von Grosseltern zu Eltern u.s.w. 

Eine wichtige Rolle im Flamenco spielt der andalusische Wein, der das Klagen und Schluchzen beim Singen angeblich stärker hervorbringt. 

Der Stierkampf ist für die Gitanos ebenso wichtig wie den Andalusiern. Hier empfinden sie ähnliche Emotionen wie beim Flamenco, der für sie ein Kampf um das Leben und das Überleben darstellt.

Die Frauen geniessen bei den Gitanos keine Gleichberechtigung, doch wird ihnen schon als Kind viel Liebe geschenkt und sie werden behandelt wie ein Juwel, bis sie heiraten. 

Die Heirat spielt eine wichtige Rolle. Sie wird drei Tage lang gefeiert, wobei die Braut im Mittelpunkt steht. 

Die Jungfernschaft bis zur Hochzeitsnacht ist bei den Gitanos Gesetz. 

Demgegenüber kommt der Frau beim Flamenco eine starke Gleichberechtigung zu. Sie hat grösste Autorität gegenüber ihrem Gitarristen.

Geschichte des Flamenco

Anfänge des Flamenco

Erste schriftliche Zeugnisse über die Musik der Gitanos stammen aus dem Jahre 1774. 

Bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Künstler Amateure oder Halbprofis. Sie verdienten sich ihr Geld durch Handlangerarbeiten. Sie reisten herum und tanzten bei reichen Familien für Kost und Logis. 

Die Gastgeber wussten diese Kunst nicht immer zu schätzen, aber Demütigungen waren für die Künstler in Geldnot erträglich.

Das goldene Zeitalter

Ab 1860 gab es eine grosse Veränderung: In den "Cafes Cantantes", die es schon seit 1842 gab, setzte sich der Flamenco durch und für die Künstler gab es mehr Existenzmöglichkeiten. Diese Epoche wird oft als Goldenes Zeitalter bezeichnet: In dieser Zeit bekamen die Künstler feste Gagen, einen Arbeitsvertrag und sie waren sich auch eines ständigen Puplikums sicher, das ihre Kunst zu würdigen wusste. Jeder Gitano hatte einen eigenen Stil, wobei sie sich untereinander massen. 

Wo früher nur der Stock oder das Händeklatschen als Begleitung dienten, wurde hier das Gitarrenspiel und der Tanz weiterentwickelt. Die Gitanos ergriffen jetzt auch die andalusischen Volkslieder und veränderten diese. 

So entstand parallel zum Cante Gitano der Cante Andaluz, zu welchem insbesondere die Formen des Fandango und die Alegrías zählen.

Dekadenz und Renaissance

1860 passierte etwas, was dem Flamenco nicht gut tat: Die Payos versuchten nun den Cante Gitano zu singen. Der berühmteste Interpret war Silverio Franconetti, der versuchte, den rauhen und fremdartigen Cante Gitano für das Publikum zugänglicher zu machen. In den Cafes Cantantes passte man sich nun dem Publikum an, dessen Wille eine leichtere musikalischere Kost war. Aber nicht jeder Künstler konnte mit Franconetti und Chacon Schritt halten und so kam es zu künstlerischen Entgleisungen. Antonio Chacon lockte das Publikum nun auf die Theaterbühnen: Das verfälschte Bild setzte sich auf den Theaterbühnen durch und das zum Teil bis heute. Man zeigte dem Publikum Folklore, die aus dem Südamerikanischen übernommen wurde oder sentimentale Lieder, die den Namen Cuble flamenco erhielten. Trotz der negativen Einflüsse ist der Flamenco mit seinen strengen Formen dank der Cafes Cantantes einem breiteren Publikum zugänglich gemacht worden. 1922 versuchte ein Kreis von Intellektuellen um Frederico Garcia Lorca und Manuel de Falla den mittlerweile als vulgär und niveaulos veralteten Flamenco als das zu rehabilitieren, was er in ihren Augen war: Als eine würdige Volkskunst mit langer Geschichte. Sie organisierten eine Veranstaltung, wo auch die Presse vertreten war. Die Organisatoren wollten den reinen Flamenco wieder unter die Leute bringen. Leider passierte ihnen aber ein Fehler: Da sie davon ausgegangen waren, das der Flamenco eine Domäne Andalusiens ist und man hier im Versteckten den uralten und reinen Flamenco wiederfinden würde, engagierten sie vor allem Amateure, die sich als überaus mittelmässig herausstellten.


Trotz der grossen Kommerzialisierung gab es noch Künstler die mit Flamenco überleben konnten. Die wirklich guten Sänger wie bspw. Pastora Pavón, Manuel Torre und Pepe el de la Matrona traten an Orten auf, wo wirklicher Cante Gitano-Andaluz gewünscht wurde. Auf der Theaterbühne entwickelte sich die Opera-Flamenca, die Sängern wie z.B. Pepe Marchena zu ungeheurer Popularität verhalfen.

Nach der Etablierung der Franco-Diktatur nach dem Bürgerkrieg hatte die künstlerische Entwicklungsmöglichkeit ihren Tiefpunkt erreicht. Das Oberflächlich-Heitere des kommerziellen Flamenco wurde von der staatlichen Kulturpolitik gefördert und somit der Eindruck von den angeblich fröhlichen Armen erweckt. Zwar durfte der beliebte traurige Fandango noch gesungen werden, aber nur durch oberflächliche Klageworte. Sozialkritische Texte wurden hingegen verboten.

1950 wurde dem reinen Flamenco vom Ausland her wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt und damit eine merkwürdige Renaissance eingeleitet. Theatergruppen, die mit spanischem Balett und Volkstänzen auf Auslandtournee gingen, schlossen oft Flamencotruppen mit guten Künstlern ein. Interessierte und Musikbegeisterte merkten bald, dass hinter Glitzer und Glamur ein echter Flamenco stecken musste mit viel Geschichte und Tiefe, dessen sich zu suchen lohnte. Und so entwickelten sich die Tablaos "La Zambra", eine Neuauflage der Cafes Cantantes und doch war auch hier der Kommerzialismus nicht zu vermeiden. In den letzten Jahren sind politisch engagierte Texte dazugekommen, die es auch vor dem Bürgerkrieg schon gab (wobei von vielen Puristen der politische Flamenco nach wie vor abgelehnt wird und dieser von den Gitanos kaum gesungen wird).

Die Cantes und Bailes

Unter Cantes versteht man wie schon erwähnt den Gesang und unter Bailes den Tanz. Ausgehend vom Cante, ist der Baile historisch sekundär. Es gibt zwei Hauptgruppen von Cantes: Den Cante Gitano und den Cante Andaluz. Der Cante Gitano wurde von den im 15. Jahrhundert eingewanderten Zigeunern erfunden, während der Cante Andaluz (agitanado) aus der Folklore Andalusiens stammt, die später von den Zigeunern aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Zum Cante Gitano, zählt man Toná, Soleá, Siguiriya, Tango und Bulería. Zum Cante Andaluz gehören die zahlreichen Varianten des Fandangos, Cantiñas und Alegrías. Es gibt auch nicht andalusisch angehauchte Flamencogesänge/-Tänze, die sog. Cantes folkloricos aflamencados. Diese Volkslieder stammen aus anderen Gegenden Spaniens oder aus Südamerika wie z.B. die Rumba, die aus Cuba kommt und nur wenig vom Flamenco beeinflusst worden ist.  


Die Cantes

Der Cante ist nicht nur ein Lied, sondern besteht aus mehreren Teilen: Im ersten Teil wird die Stimme ohne Worte eingesungen, meist mit einem typischen Klagelaut "Ay", danach kommt die Melodievorstellung des Cante. Nun erst singt der Interpret mit seiner ganzen Kraft. Darauf erfolgt ein Nachlassen der Emotionen (der entspanntere Teil). Der Cantaor gestaltet den nächsten Teil eigenständig und persönlicher. Der letzte Teil ist schliesslich der Ausgesang, worauf der Interpret evtl. auf einen ähnlichen Cante überwechselt.

Das älteste Element dieser Kunst ist, wie bereits oben erwhähnt,  der Cante-Flamenco. Dieser existierte schon vor dem Tanz und der Gitarre. Die Musik und der Tanz kamen erst viel später hinzu, deshalb ist der Cante ein eigenständiges Element. Der Cante kann mit oder ohne Begleitung gesungen werden, wobei bei einigen Stilrichtungen die Begleitung nicht erwünscht ist. Bei diesen wird noch immer mit sparsamen Palmas (Händeklatschen) oder mit einem Stock der Takt angegeben. Diese "Cantes a palo seco" sind sehr archaisch und von einer langen Geschichte abstammend. Diese stimmliche Qualität ist für Nicht-Andalusier sehr schwierig zu verstehen. Er ist auch nicht vergleichbar mit der mitteleuropäischen Musik und wenn man ihn hört, denkt man, dass er sehr nicht-andalusisch klingt und eher unter Familien hinter verschlossenen Türen entwickelt worden ist. Die Kinder lernen von den Eltern, Grosseltern Urgrosseltern und so bleibt der alte Cante bestehen und es entstehen paralell dazu neue. Die Cantes werden in andalusischem Dialekt gesungen und sind oft leicht Arabisch angehaucht. Die Gitanos singen dabei teilweise in ihrer Sprache (Caló).

Der Baile


Der Baile (Tanz) wurde früher in maskulin und feminin getrennt: Der kraftvolle Zapateato (Schuhstampfen) war weitgehend den Männern vorbehalten, Während die Frauen die Bewegungen der Arme und Hände und dem Oberkörper ins Spiel brachten.

Der Zapatateato wird für ein wichtiges Element im Flamenco gehalten. Viele wissen vielleicht nicht, dass ursprünglich nur Männer ihn tanzten, weil es beim Aufschlagen von Absatz, Spitze und Sohle des Schuhes viel Kraft brauchte. So vermutet man, dass die Frauen ihre Beine nicht zeigen durften. Die Frau bewegte beim Tanz vor allem Arme und Schultern. Diese Trennung gibt es heute aber fast nicht mehr, trotzdem setzt der weibliche Baile den Akzent immer noch auf den Oberkörper. Die Haltung der Bailaora (Tänzerin) ist durch ein "hohles Kreuz" markiert. Ihre Arme weisen eine leichte Rundung auf, die durch den Ellenbogen nicht unterbrochen werden soll. Bei der Frau haben die Arme wellenförmige, schmeichelnde, fast sinnliche Bewegungen zu vollziehen und die gespreitzten Finger sollen fast kräuselnde Arabesken zeichnen. Beim Mann ist das Armspiel nüchtern, streng und die Hände sind geschlossen. 

Da die Bewegungen der Arme und Hände harmonieren sollten, ist der Gebrauch von Kastagnetten bei den Gitanos verpönt. Hingegen ist in Andalusien bei den Payos der Gebrauch des Kastagnetten nicht weg zu denken. Wichtig beim Flamencotanz ist auch die Bata de Cola, das lange mit viel Rüschen und Volant besetzte Flamencokleid, das auf der Höhe der Oberschenkel eine oft ebenfalls mit Rüschen besetzte Schleppe aufweist.

Wichtig bei einer Tanzaufführung ist, dass die Gitarre dem Tanz und auch dem Gesang untergeordnet sein sollte.

Der Duende

Duende heisst soviel wie Dämon oder innerer Geist. Wie auch der Flamenco kennt man den Duende vom Zigeuner-Glauben her. Er kommt dann zum Vorschein wenn ein Flamenco-Interpret den absoluten Höhepunkt erreicht und die Zuschauer in seinen Bann zieht. Das kann man sich vielleicht am besten vorstellen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie man vor Ergriffenheit eine Gänsehaut bekommt. Ein grosser spanischer Dichter namens Federico Garcia Lorca versuchte den Duende wie folgt zu beschreiben: "Engel und Muse kommen von aussen; der Engel verleiht Talent, die Muse Form...den Dämon (Duende) aber muss man in den letzten, hintersten Behausungen des Blutes aufrütteln".

Es gibt wirkliche Flamencobewunderer (Aficionados), die diesen Flamenco-Zauber erlebt haben, während andere noch heute darauf warten. Tatsache ist, dass sich der Duende nicht herbeizaubern lässt. "Man muss zur rechten Zeit am rechten Ort sein". Wenn der Duende aber erscheint, beginnen die Zuschauer die Interpreten mit Händeklatschen und lauten Zurufen anzufeuern und der ganze Raum gerät in Aufruhr. Aficionados berichten, dass sie eine solche Stimmung noch nie zuvor erlebt haben. Es sind aber auch negative Erfahrungen gemacht worden: Leute berichten, dass sich die Gitanos die Kleider vom Leib gerissen und alles zerschlagen haben, was ihnen unter die Finger kam.

Wichtige Flamenco-Interpreten

Im Folgenden soll insbesondere auf Carmen Amaya, aber auch andere wichtige Interpreten des Flamenco eingegangen werden.

Carmen Amaya

Niemand konnte sie nachahmen. Sie war die "Revolutionärin" unter den Bailaoras. Sie wandelte die feinen feministischen Bewegungen um und tanzte einen heftigen Tanz mit wilden Zapateados, die ihr noch heute keiner nachmachen kann. Traditionen kümmerten Carmen Amaya nicht, sie hatte ihren eigenen Stil und ein starkes Temperament. Sie wurde zur Bailaora der Epoche, weil sie trotz ihrer Eigenheit eine grosse Bewegtheit voller Tiefe erreichte. Was bei ihr hervorragend aussah, wirkte bei anderen Bailaoras, die sie zu imitieren versuchten, lächerlich und unweiblich. Mit zunehmendem Alter wurde Carmen Amaya ruhiger und ihr Tanz verlangsamte sich. Das Feuer wurde zur Glut und ihr Tanz wurde zunehmend schöner. Ein Jahr vor dem Tod von Carmen Amayda (1963) wurde der Film "La Historia de los Tarantos" mit ihr in der Hauptrolle gedreht. Ein wertvolles Dokument dieser grossartigen Bailaora.

Carmen Amaya tanzte schon im Alter von vier Jahren in Tavernen, wobei ihr Vater sie mit der Gitarre begleitete. Er war immer auf der Hut, sobald die Polizei kam, denn Kinderarbeit war auch damals verboten. Mit zehn Jahren tanzte sie bereits mit Berühmtheiten wie Manuel Torre, Tomás und Pastora Pavón. Mit 53 Jahren starb sie an einer Nierenerkrankung in Barcelona. In Somorrosto, ihrem Geburtsort, errichtete man ein Denkmal für sie.

Die Cantaores/Cantaoras

Ein wichtiger Cantaor in der Geschichte ist Silverio Franconetti. Er war es auch, der den Flamenco in den Cafes Cantantes in die Öffentlichkeit brachte. Damit machte er sich aber auch an der Kommerzialisierung des Flamenco mitschuldig. Seine Stimme war mit der eines Gitanos zu vergleichen. Silverio Franconetti kam aus Sevilla. Das Publikum hörte ihn gern, denn er war ein ausgezeichneter Sänger, der alle Cantes singen konnte wie sonst keiner, ausser den Gitanos. Sein Rivale war Tomas el Nitri (1830-1890) ein Gitano, der zu den grössten Meistern des Cante jondo gehörte. Beide waren sie Schüler des El Fillo gewesen (Zitat Seite 33 Flamenco Anja Vollhardt). 

El Nitri wollte nicht vor Franconetti singen, weil dieser ein Payo war. Franconetti war zwar zu einem Viertel Italiener, wuchs aber unter Payos auf und lernte den Cante Gitano von El Fillo. El Nitri war ein launischer Cantaor. Er sang nur, wenn ihm danach war. Die Reinheit des Cante jondo war für ihn von grosser Bedeutung, da man diesen nicht einfach singen konnte. Tomas El Nitri starb wie viele Sänger an Tuberkulose.

Auch El Loco (= der Verrückte) Mateo war ebenfalls ein bekannter Cantaor. Dieser litt unter einer starken Unruhe, so dass er wärend der Vorstellungen manchmal hinaus ging und in den Himmel starrte. Viele Cantaores, vor allem wirklich gute Sänger starben am Wahnsinn im Irrenhaus.

Es gibt auch berühmte Cantaoras wie bspw. La Andonda, die Frau des El Fillo. Mercedes La Sarneta war eine weitere Cantaora, bei der der Duende (Innerer Geist) eine grosse Wirkung gezeigt haben soll.

Schlusswort

Flamenco, ist eine Volkkunst, die von den Zigeunern entwickelt wurde. Sie haben nach ihrer Ankunft ihren Flamenco mit der andalusischen Folklore vermischt. Lange Zeit hatten die spanischen Zigeuner keinen Erfolg mit ihrem Gesang und Tanz bzw. sie tanzten und sangen für reiche Grossgrundbesitzer, die ihr Können nicht zu schätzen wussten. Ansonsten hörte man den Flamenco nur hinter verschlossenen Türen. Der Erfolg kam erst mit der Gründung der Cafes Cantantes. Dort erhielten die Interpreten eine feste Gage und auch einen Arbeitsvertrag. Als die Payos versuchten den schwierigen Cante-Gitano für das Publikum zugänglich zu machen, hatten sie grossen Erfolg und die Kommerzialisierung des Flamenco hatte ihren Anfang genommen. Bekannte Payos lockten die Zuschauer auf die Theaterbühnen und die Cafes Cantantes gingen zu Grunde. Die wahren Flamencointerpreten zogen sich zurück oder versuchten woanders ihr Glück. Der reine Flamenco wäre fast ganz verlorengegangen, wenn nicht Intellektuelle und wirkliche Flamencobegeisterte dem auf den Grund gegangen wären. Leider konnte der kommerzialisierte Flamenco nie ganz aus dem Weg geräumt werden.